Nüchternheit ist Rebellion

Essay
Tagesspiegel
Ein paar Mal im Jahr veröffentlicht eine große Zeitung einen Text über Alkoholkonsum, der von einer Trinkpause handelt. Es ist immer der gleiche Text, er geht immer ungefähr so:
Ein:e Autor:in trinkt für ein paar Wochen oder Monate keinen Alkohol, findet das interessant, komisch oder sogar ein bisschen gut – immer aus den gleichen langweiligen, vorhersehbaren Gründen: besserer Schlaf, bessere Haut, bessere Selbstkontrolle – aber unterm Strich ist kein Alkohol eben auch keine Lösung (höhö). Und außerdem ist es ohne Drink so schwer, sich zu entspannen.
Und weil die unvermeidliche Rückkehr zum routinierten Drogenkonsum zwangsläufig eine Art inneren Rechtfertigungszwang auslöst und weil modernen, akademischen Kulturmenschen das Argument der Konservativen, Trinken sei Tradition, nicht zur Verfügung steht, muss ein anderes, stylishes Framing her: »Trinken ist Rebellion.«
Gegen die Leistungsgesellschaft. Gegen neoliberale Selbstoptimierte. Gegen das kapitalistische Hamsterrad. Gegen die Diktatur der Vernunft. Ja, sogar gegen Elon Musk himself! Wer Christian Lindner eins auswischen will, trinkt Bier. Linker Aktivismus quasi.
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